Interview mit Corey Alexander: Seriensieger in den USA.
München. Acht Rennen wurden in der Stock-1000-Klasse der MotoAmerica in dieser Saison bisher ausgetragen. In sechs davon ging der Sieg an BMW Racer Corey Alexander aus dem Team Tytlers Cycle / RideHVMC Racing – zuletzt stieg er fünf Mal in Folge auf die oberste Stufe des Treppchens. Der 28-Jährige aus dem US-Bundesstaat New York gewann bereits beim Auftakt, nach einem Sturz konnte er aber am zweiten und dritten Saisonrennen nicht teilnehmen. Doch er kehrte eindrucksvoll zurück und gewann alle weiteren Rennen. Mit dieser Siegesserie hat sich Alexander wieder in den Titelkampf gebracht. Bei noch drei ausstehenden Veranstaltungen führt er die Meisterschaft mit 150 Punkten und einem Vorsprung von 33 Zählern an.
2022 ist die erste Saison von Alexander auf der BMW M 1000 RR. Im Interview stellen wir den BMW Racer aus den USA näher vor. Wir sprechen über seine Wege in den Motorradrennsport, seine enge Verbindung zu Motorrädern, seine erste Saison in der BMW Familie, Jason Pridmore, Michael Jordan Motorsports und vieles mehr.
Corey Alexander im Interview.
Corey Alexander © Brian J Nelson
Man könnte sagen, dass dir Motorräder und der Rennsport im Blut liegen. Du hast bereits mit fünf Jahren das Motorradfahren angefangen – kannst du uns mehr darüber erzählen, wie es dazu kam?
Corey Alexander: „Ja, mein erstes Bike habe ich zu meinem fünften Geburtstag bekommen. Aber meine Familie hat hier in New York schon seit 1966 ein Motorradgeschäft. Mein Großvater hat damit angefangen, und mein Vater und Onkel sind beide Rennen gefahren. Mein Onkel hat 1998 die Supersport-750-Meisterschaft gewonnen und ist in die frühen 2000er in der AMA gefahren. Ja, das liegt in meiner Familie, es ist wirklich Teil meiner Gene. Meine Kindheit war: unter der Woche in die Schule, samstags ins Motorradgeschäft und sonntags an die Rennstrecke.“
Arbeitest du noch im Geschäft mit?
Alexander: „In den letzten drei Jahren habe ich immer weniger Zeit dort verbracht, da ich immer mehr ins Rennteam eingebunden war. Aber ja, ich habe immer etwas im Geschäft gemacht, fast jeden Tag. Es gab eine Phase, da habe ich mich zusammen mit meinem Vater um das ganze Thema Verkauf gekümmert, ich habe etwas von allem gemacht. Und ich mache immer noch viel in Sachen Marketing.“
Corey Alexander © Brian J Nelson
Sprechen wir über das Racing. Wann hast du mit dem Rennfahren angefangen und in welchen Serien bist du bisher gefahren?
Alexander: „Bis ich etwa zehn Jahre alt war, bin ich Motocross gefahren, einfach hier in einer regionalen Motocross-Amateur-Meisterschaft. Dann war Supermoto in den USA sehr populär, und ich bin etwas Supermoto gefahren. Das hat dann dazu geführt, dass ich mich um einen Platz im Red Bull Rookies Cup beworben habe. Der wird noch im Rahmen der MotoGP ausgetragen, aber es gab auch für eine Saison eine US-Version. Ich hatte das Glück, für das Programm ausgewählt zu werden, obwohl ich zuvor noch nie ein Straßenrennmotorrad gefahren war. Ich bin einfach aus Spaß zum Try-Out gegangen, und wir wurden ausgewählt. Das war 2008, und der Red Bull Rookies Cup war meine erste Rundstreckenmeisterschaft. Ich habe das eine Saison lang gemacht, aber als es geendet hat, war ich zu jung, um Profi zu werden. Also bin ich auf Amateurlevel Rennen gefahren, bis ich 16 war. In den USA war es nicht erlaubt, in den Meisterschaften zu fahren, da sie keine kleinen Klassen hatten. Also bin ich in der CCS gefahren, einer nationalen Amateurmeisterschaft. 2011 war dann meine erste volle Saison in der AMA, die jetzt die MotoAmerica ist.“
Was waren bisher deine größten Erfolge?
Alexander: „2013 habe ich den Titel in der AMA Supersport-600-Meisterschaft gewonnen, und seitdem wurde ich mehrfach Gesamtzweiter in den verschiedenen Serien. Aber das ist wahrscheinlich mein größter Erfolg bisher – abgesehen davon, dass ich die Möglichkeit hatte, in Europa an ein paar Runden der Supersport-Weltmeisterschaft zu bestreiten. Es war nicht einfach, aber es hat großen Spaß gemacht, auf WM-Niveau zu fahren.“
Corey Alexander © Brian J Nelson
Sprechen wir über die aktuelle Saison, deine erste mit BMW. Warum hast du beschlossen, mit der BMW anzutreten?
Alexander: „Ich bin ein paar Jahre lang gar keine Rennen gefahren. Ich hatte eine Rückenoperation und war mir nicht sicher, ob ich mit dem Rennsport überhaupt weitermache. Von 2016 bis 2019 habe ich gar keine Rennen bestritten. Dann haben wir beschlossen, in der Stock 1000 Championship unser Comeback zu geben, und ich bin dort 2020 und 2021 mit einem anderen Fabrikat angetreten. So gegen Ende des vergangenen Jahres haben wir uns dann überlegt, dass die BMW auf dem Papier das stärkste Paket in dieser Klasse bietet.“
Und hat sich die BMW bisher als stärkstes Paket erwiesen?
Alexander: „Ich denke schon. Da sind wir uns alle einig. Mit unserem Programm und den Ressourcen, die wir haben, ist es sehr wichtig, aus dem Stand konkurrenzfähig zu sein. Jeder kann sich ein Bike kaufen und versuchen, rauszugehen und Rennen zu gewinnen. Aber du musst das Team haben, die Leute, den Support und die Ressourcen, um erfolgreich zu sein. Das hat auch einen sehr großen Anteil. Aber ja, ich scheine mit der BMW sehr gut zurechtzukommen. Ich denke, dass sie größeren Fahrern entgegenkommt. Ich bin 1,95 Meter, also recht groß. Und die BMW scheint zu meiner Größe zu passen. Bezüglich der Motorcharakteristik und solchen Dingen war die Umstellung einfach. Für mich funktioniert das Bike einfach insgesamt besser als mein vorheriges.“
Du hast sechs der bisher acht Stock-1000-Rennen der Saison gewonnen, darunter waren fünf Siege in Folge. Was macht dich so stark und konstant?
Alexander: „Ein gutes Paket zu haben, hat daran einen großen Anteil. Ein starkes Bike mit guter Elektronik, der Power und all diesen Dingen zu haben. Das Bike ermöglicht mir zu zeigen, welche Fortschritte ich selbst auf und neben dem Bike gemacht habe. Dann war der Support von Tytlers Cycle Racing und alpha Racing immens wichtig, damit die Umstellung gelungen ist. Es war erst gegen Ende Februar definitiv klar, dass ich mit der BMW M 1000 RR fahre, und die ersten Rennen standen schon in der zweiten April-Woche auf dem Programm. Wir hatten also vor dem Saisonauftakt nur sehr wenig Zeit zur Verfügung. Das hätten wir ohne die Ressourcen und die Leute, die uns helfen, definitiv nicht erreichen können. Da spielt alles ineinander.“
Corey Alexander © Brian J Nelson
Du scheinst dich also in deinem Team und in der BMW Familie wohlzufühlen?
Alexander: „Ja, absolut. Eine große Rolle spielen das Vertrauen in mein Können, das Vertrauen in das Bike und das Vertrauen in mein Team und die Richtung, in die es geht. Es ist nicht so einfach und nicht so, als ob du jedes Wochenende an die Rennstrecke kommst, sie schieben das Bike raus, und dann fahren wir, ohne irgendwelche Änderungen vorzunehmen. Es ist viel harte Arbeit und das klappt nicht ohne kluge Leute mit viel Erfahrung, die mir helfen, das Bike dahin zu bringen, wo wir es brauchen, um erfolgreich zu sein. Und das ist ein großer Teil davon. Dazu kommt auch noch bis zu einem gewissen Grad Glück. Beim letzten Rennen in Brainerd sah es so aus, als würden wir Zweite werden, dies für den Titelkampf mitnehmen und uns über das Podium freuen. Aber dann kam die rote Flagge, das Rennen wurde neu gestartet, und unser Titelrivale hatte in der vorletzten Runde ein technisches Problem. Das war einer der Momente, in dem ich selbst nicht viel machen musste. Ich habe mich nur in die Position gebracht, in der mir meine Jungs helfen konnten, vom Pech eines unserer Konkurrenten ein bisschen zu profitieren. Es hat mir einmal mehr verdeutlicht, dass es nicht nur ich bin, es ist das gesamte Paket, das es uns ermöglicht, zu gewinnen.“
Das Ziel für die Saison ist klar – den Superstock-1000-Titel zu gewinnen?
Alexander: „Nun, ich bin in Virginia ziemlich übel gestürzt, was zur Folge hatte, dass ich in zwei Rennen nicht angetreten bin. Wenn du so früh in der Saison zwei Rennen verpasst, dann ändert sich deine Perspektive ein bisschen. Es schien, dass die Meisterschaft mit unserem Rückstand nicht mehr in greifbarer Nähe war. Wir haben hier eine recht kurze Saison, denn wir haben nicht an jedem Wochenende zwei Rennen. Bei manchen Veranstaltungen wird ein Rennen gefahren, bei anderen zwei. Von daher ist die Saison nicht so lang wie bei den Superbikes. Wenn du also so in Rückstand gerätst, dann scheint es unmöglich, den vielleicht wieder aufzuholen. Aber ich kam zurück mit dem Ziel, einfach Rennen zu gewinnen und damit zu zeigen, dass wir um den Titel hätten kämpfen können. Nun stehen noch drei Rennen aus und wir haben eine gute Ausgangslage, um die Meisterschaft tatsächlich zu gewinnen – das ist fantastisch. Aber das Ziel bleibt dasselbe: Ich möchte einfach fahren, Rennen gewinnen und zeigen, wie gut mein gesamtes Team arbeitet. Wenn es mit dem Titel klappt, sind wir alle happy.“
In der Stock 1000 werden zwar nicht so viele Rennen gefahren, aber deine MotoAmerica-Wochenenden sind trotzdem vollgepackt, denn du trittst auch in der Superbike-Klasse an. Ist es schwierig, an einem Wochenende zwischen den Klassen zu wechseln? Und es klingt ziemlich anstrengend mit viel Zeit auf der Strecke ...
Alexander: „Ja, wir fahren ganz sicher recht viel. Aber wir treten in beiden Klassen mit demselben Bike an, es ist das identische Motorrad in der Superbike- und in der Stock-Klasse. Doch dies ermöglicht es uns manchmal, neue Dinge auszuprobieren. Und ich glaube wirklich, dass das der wichtigste Grund dafür war, dass wir uns so schnell auf die BMW einstellen konnten. Denn wir hatten die zusätzliche Zeit, die wir nutzen konnten, um neue Einstellungen und so zu testen. Das war definitiv von Vorteil. Klar, am Sonntagnachmittag bin ich körperlich und mental ziemlich erschöpft, aber man gewöhnt sich daran. Ich freue mich einfach, zu fahren und versuche, es so viel wie möglich zu genießen. Und wenn wir mit dem Stock-Bike ein gutes Ergebnis bei den Superbikes holen, ist das ziemlich beeindruckend, denke ich. Es sagt viel darüber, wie du fährst und über die Fähigkeiten des Bikes. Ein Stock-Bike zu haben, das bei den Superbikes gegen Werksbikes in World-Superbike-Spezifikation innerhalb von zwei Sekunden oder in den Top-10 liegt, ist sehr gut.“
Corey Alexander © Brian J Nelson
Deine Startnummer ist 23 – hat das eine besondere Bedeutung?
Alexander: „Da gibt es sogar mehrere. Mein Geburtstag ist der 23. Mai. Mein Onkel ist immer mit der Nummer 5 Rennen gefahren, deshalb bin auch ich eine Zeit lang mit der 5 angetreten. Mit der Nummer 23 begann es dann richtig aufgrund unserer Verbindung zu Michael Jordan und Michael Jordan Motorsports, einem Rennteam hier in den USA in den 2000ern. Mein Onkel hat geholfen, das Team zu managen, und mein Riding Coach, Jason Pridmore, hat bei der Gründung des Teams eine wesentliche Rolle gespielt. Sie haben mich in meiner Karriere unterstützt, und MJ hat mir geholfen, als ich jünger war und im Red Bull Rookies Cup gefahren bin. Und als ich 2013 Meister wurde, war unser Team Teil von Michael Jordan Motorsports. Deshalb hat die 23 verschiedene wichtige Bedeutungen für mich.“
Stichwort Riding Coach – du bist selbst einer...
Alexander: „Ja, ich mache viele 1-zu-1-Instruktionen. Wie ich erwähnt habe, war Jason Pridmore mein Riding Coach seit ich noch sehr jung war, und er hatte hier in den USA eine sehr bekannte, große Schule, die STAR School. Seitdem haben wir etwas umstrukturiert und gehen mehr in die Richtung von Einzeltrainings. Und nun mache ich sehr viel mit anderen Fahrern und Rennfahren der unterschiedlichsten Könnensstufen. Ich versuche, ihnen zu helfen, sich so effizient wie möglich zu verbessern. Vor allem geht es mir darum, die Leute dazu zu bewegen, an die Rennstrecke zu kommen, sicherer zu fahren, und sie auf den Geschmack zu bringen, damit wir diesen wunderbaren Sport weiter wachsen lassen können.“
Welche weiteren Ziele im Rennsport möchtest du selbst noch erreichen?
Alexander: „Das wäre ein Superbike-Sieg.“